Warum das soziale Umfeld für verwaiste Eltern wichtig ist

Der Kindsverlust stellt einen der schlimmsten Personenverluste dar, den man durchleben muss. Eltern haben dabei aber nicht nur den Verlust eines geliebten Menschen zu beklagen. Sie verlieren nämlich außerdem noch ein großes Stück ihrer Zukunft, ihrer Wünsche und Pläne und ihres Vertrauens in das Leben.

Mühsam müssen sie sich den Weg in ihr neues Leben ohne Kind an der Hand erkämpfen, denn ihr altes Leben existiert nicht länger. Ein Kraftakt, der ihnen schier Unmögliches abverlangt. Die Welt steht oftmals eine Zeit lang still, nichts ergibt mehr einen Sinn und ein Weiterleben mit diesem nicht enden wollenden Schmerz scheint unmöglich.

Meiner Meinung nach ist an diesem Punkt eines von elementarer Bedeutung für die eigene Trauerbewältigung: der Rückhalt und die empathische Begleitung durch das soziale Umfeld.

Darum ist die empathische Begleitung verwaister Eltern von so großer Bedeutung:

Zunächst einmal: Was ist eigentlich Trauer?

Trauer ist die Reaktion auf den Verlust – in diesem Zusammenhang – des eigenen Kindes. Und diese Trauer geschieht in einem Verarbeitungsprozess.

Dabei gibt es generell unterschiedliche Faktoren, die einen Einfluss auf die Verarbeitung von Trauer nehmen, wie u.a.:

  •         Soziales Netz
  •         Alltagsstruktur
  •         Coping-Strategien
  •         Ressourcen
  •         Glaube/Religion

Das soziale Netz nimmt dabei meiner Erfahrung nach eine besonders wichtige Rolle in der Trauerarbeit ein, weil es Einfluss auf all diese anderen Faktoren nehmen kann.

Zum einen ist das Gehaltensein durch Familie, Freunde und Bekannte immens wichtig, wenn das Leben um betroffene Familien herum scheinbar wegzubrechen droht. Für Eltern ist es wichtig zu spüren, dass sie in ihrem Verlust nicht alleine gelassen werden und dass ihnen und ihrer Trauer Verständnis und Liebe entgegengebracht werden.

Das soziale Umfeld kann außerdem bei der Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur (durch Besuche oder gemeinsame Unternehmungen) helfen, welche wiederum Halt und Sicherheit vermittelt.

Das eigene Kind lebt somit in ihren Herzen weiter

Es kann auch dabei helfen, den Zugang zu den eigenen Bewältigungsstrategien (Coping-Strategien) wiederzufinden. Denn wenn das verstorbene Kind ein selbstverständlicher Teil der gemeinsamen Gespräche wird und bleibt, kann sich eine innere Repräsentanz in den verwaisten Eltern ausbilden. Somit lebt eigene Kind in ihren Herzen weiter und verschwindet mit dessen Tod nicht einfach spurlos aus ihren Leben.

Das Umfeld ist aber auch ein wichtiger Teil der persönlichen Ressourcen. Innere Ressourcen wie bspw. Reflexionsfähigkeit, Mut, Kraft oder Glauben und weitere Persönlichkeitsmerkmale erscheinen den Betroffenen oftmals wie „verschüttet“. Äußere Ressourcen wie Familie und Freunde können verwaisten Eltern dabei helfen, den Zugang zu dem wiederzufinden, was sie persönlich ausmacht. Gemeinsam kann beispielsweise der längst verloren geglaubte Humor wiederentdeckt werden.

Vielleicht lässt sich mit der Zeit gemeinsam ein tieferer Sinn in dem Erlebten erkennen

Und auch der eigene Glaube kann mit dem sozialen Umfeld zusammen wiedererlangt werden. Vielleicht lässt sich mit der Zeit gemeinsam ein tieferer Sinn in dem Erlebten erkennen oder es lässt sich Trost darin finden, dass Eltern, Familie und Freunde das schmerzlich vermisste Kind eines Tages wiedersehen werden.

Unter anderem aus diesen Gründen ist für betroffene Eltern das soziale Umfeld eine wichtige und vor allem nachhaltige Stütze.

Trauer an den Vorstellungen ihres Umfelds gemessen

Leider gibt es aber gleichzeitig wohl in kaum einem anderen Bereich mehr Unsicherheiten und Ängste, als in der Begegnung mit verwaisten Eltern. Denn der Verlust eines Kindes wird als besonders katastrophal und biologisch abnormal erlebt.

So müssen beinahe alle Betroffenen übergriffige Handlungen und unbeholfene Sätzen durch ihr soziales Umfeld über sich ergehen lassen. Besonders oft machen verwaiste Eltern nämlich die Erfahrung, dass ihre Trauer an den Vorstellungen ihres Umfelds gemessen wird. Eigene Erwartungen werden auf die Eltern projiziert, ihre Erlebnisse werden mit anderen Schicksalen verglichen oder der Schmerz über den Verlust des Kindes wird an beispielsweise der Schwangerschaftswoche gemessen.

Es ist so oft die eigene Hilflosigkeit

Diese Reaktionen geschehen in großer Mehrheit nicht aus fehlender Empathie oder gar Böswilligkeit. Es ist so oft die eigene Hilflosigkeit im Umgang mit den betroffenen Eltern. Gleichzeitig ist da ein großes Bedürfnis, etwas Hilfreiches beisteuern zu wollen oder den Eltern, zumindest für einen Moment lang, ihren Schmerz zu nehmen.

In meinem nächsten Blogbeitrag stelle ich dir eine Kommunikationshilfe vor, die die empathische Begegnung zwischen Sterneneltern und ihrem Umfeld unterstützen kann.

Hier findest du noch mehr zum Thema

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Hier findest du meine niedergeschriebenen Gedanken und Gefühle nach dem Verlust meiner Tochter:

 

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